Psychologie in der Schmerztherapie

Erweiterte Pfade zur Bewältigung von Schmerzzuständen in Würselens Klinik für Schmerztherapie

Chronische Schmerzen gehen selten auf nur eine Ursache zurück. Umso schwieriger ist es, einen Ansatzpunkt für die Behandlung zu finden. „Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Faktoren zu ermitteln, die zu dem Schmerzzustand beitragen, ist, sich ausreichend Zeit für das Gespräch mit dem Patienten zu nehmen und ihn auch nach anderen Themen als nur rein körperlichen Symptomen zu befragen“, erklärt die Chefärztin der Klinik für Schmerztherapie und Palliativmedizin am Rhein-Maas Klinikum (RMK) in Würselen Dr. med. Andrea Roth-Daniek. Denn oft genug sind es zusätzlich Probleme im Beruf oder private Sorgen, die Betroffene so schwer belasten, dass die körperlichen Beschwerden unerträglich werden. 

Multimodale Schmerztherapie bei stationärem Aufenthalt
Während eines stationären Aufenthalts befasst sich ein multiprofessionelles Team aus Schmerzspezialisten, Medizinern der Orthopädie oder Neurologie – je nach Symptomatik – Physio- und Ergotherapeuten, Pain Nurses und Psychologen mit den Betroffenen. Gemeinsam mit dem Patienten entwickeln sie ein Behandlungskonzept, um die Beschwerden zu lindern und Perspektiven zu schaffen, wie der Alltag besser bewältigt werden kann. 
Patientin, zwei Psychologinnen und eine Ärztin schauen in die Kamera und unterhalten sich. Alle tragen einen Mund-Nasen-Schutz. In der Mitte steht ein Modell einer Wirbelsäule und eine Flippchart.
Das Team der multimodalen Schmerztherapie bei der Besprechung mit einer Patientin. V. l. n. r.: Patientin Chantalle S., Psychologin Julia Schmidt, Dr. Andrea Roth-Daniek, Chefärztin der Klinik und Jacqueline Quadflieg, psychologische Psychotherapeutin.
Psychologinnen im Interview
Was dabei die Psychologen im Rhein-Maas Klinikum genau machen und wie ihre Konzepte aussehen, erklären uns Julia Schmidt und Jacqueline Quadflieg, zwei der drei Psychologen in der dortigen Schmerztherapie. 

Was ist die Aufgabe eines Psychologen beziehungsweise psychotherapeutischen Psychologen in einem Krankenhaus ohne Psychiatrie?
Julia Schmidt: Primär sind wir Teammitglieder der Klinik für Schmerztherapie und Palliativmedizin, werden jedoch auch teilweise für Konsile in den unterschiedlichen Abteilungen des RMK eingesetzt. Auf der Palliativstation helfen wir insbesondere mit stabilisierenden Gesprächen – sowohl für Betroffene als auch Angehörige. Andere Aufgaben passen sich den Abteilungen an. Bedarf ist in fast jedem Krankenhaus gegeben.
Jacqueline Quadflieg: In der Regel führen wir vormittags Einzelgespräche mit unseren Patienten. Jedem ist ein Bezugstherapeut zugeordnet. Mittags finden unsere Teambesprechungen statt. Hier werden wichtige therapierelevante Aspekte in der Behandlung eines jeden Patienten individuell im Therapeutenteam besprochen – das ist eines der wichtigsten Elemente in der multimodalen Schmerztherapie, um der Erkrankung ganzheitlich gerecht zu werden. Nachmittags gibt es weitere Einzeltherapien sowie auch Gruppeneinheiten wie Entspannungsübungen oder Achtsamkeitstraining. 

Die multimodale Schmerztherapie – was ist das und wozu dient sie?
Quadflieg: Sie ist ein breitgefächerter Ansatz zur Linderung von chronischen Schmerzen. Der Fokus liegt dabei auf der Reduktion, nicht auf der Befreiung von Schmerzen. Wir streben an, damit die Lebensqualität unserer Patienten zu erhöhen.
Schmidt: Praktisch funktioniert das, indem wir als Team, bestehend aus verschiedenen Professionen, Hand in Hand zeitgleich an und auch mit den Patienten arbeiten. Damit gewährleisten wir eine engmaschige Behandlung und Betreuung, die ambulant so in dieser Form nicht abbildbar wäre. Wir schaffen mit unserem Wirken ein Bewusstsein, dass Körper und Seele in einer Wechselbeziehung zu einander stehen. Sie sind als Ganzes zu betrachten und können nicht voneinander getrennt werden.
Quadflieg: Als psychotherapeutische Psychologinnen fokussieren wir uns – neben den körperlichen Bereichen – auf emotionale, kognitive, funktionelle und auch biographische Aspekte unserer Patienten. Die Auseinandersetzung geht also auf eine ganz andere Ebene.
Schmidt: Genau. Unser Ansatz ist die kognitive Verhaltenstherapie. Wir spüren dysfunktionale Verhaltens- und Denkmuster auf und beginnen, diese in kleinen, behutsamen Schritten gemeinsam mit unseren Patienten zu bearbeiten und ins Positive zu verändern. Natürlich ist uns hier nur wenig Zeit geschenkt, doch sind erste Einblicke und Denkanstöße möglich, die später weiter ausgearbeitet werden können.
Quadflieg: Wir entwickeln die Hilfe zur Selbsthilfe. 

Und dann kam die Corona-Pandemie. Krankenhäuser mussten Kapazitäten freihalten und Sie Ihre Arbeit umstellen. Wie ist Ihnen das gelungen? Wie haben Sie sich privat umgestellt?
Quadflieg: Erstmal mussten wir uns selbst der Situation stellen – wie vermutlich auch jeder andere. Wir haben unsere Unterstützung ganzheitlich im Hause angeboten, insbesondere für Patienten, die aufgrund der schwierigen Situation keinen Besuch erhielten und auf sich alleine gestellt waren. Aktuell arbeiten wir in der Klinik angepasst an die Hygienemaßnahmen und haben unsere Gruppengrößen verändert. Das funktioniert gut.
Schmidt: Im Großen und Ganzen konnten wir uns gut mit der Situation arrangieren. Wichtig ist dabei auch, Tagesstrukturen einzuhalten. Medien sollten gezielt und bewusst konsumiert werden, eine Überflut an Informationen ist nicht dienlich. Wir haben unsere sozialen Kontakte intensiv gepflegt, auch über weite Distanzen und uns auch körperlich weiter fit gehalten.
Quadflieg: Auch sollte man eigenen Gefühlen Raum schaffen. Wichtig ist, sie zu artikulieren und nicht nur über sie zu grübeln. Dabei helfen ebenfalls Achtsamkeits- und Entspannungsübungen. Wir haben uns vor Augen gehalten, dass wir gemeinsam diese schwere Zeit durchstehen werden und sie auch irgendwann wieder vorbei sein wird. 

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank! 
Top